Die Olympischen Spiele 1972

Die bayerische Landeshauptstadt München war 1972 Austragungsort der Olympischen Sommerspiele. Wie kamen die Olympischen Spiele nach München? Welches Konzept verfolgten die Verantwortlichen? Und welche Auswirkungen hatte das Attentat auf den Verlauf der Spiele?

Die Olympischen Spiele kommen nach München

Willi Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), und der damalige Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel bemühten sich darum, die Olympischen Sommerspiele 1972 nach München zu holen. Am 26. April 1966 gab das Internationale Olympische Komitee (IOC) bekannt, dass man sich für München als Austragungsort entschieden habe. Diese Entscheidung zog umfangreiche Baumaßnahmen nach sich, die das Münchner Stadtbild bis heute prägen. Im Norden der Stadt entstand auf einem Gelände, auf dem sich noch der Trümmerschutt des Zweiten Weltkriegs türmte, eine weitläufige Parkanlage mit modernen Sportstätten und Wohngebäuden. Gleichzeitig wurde der Ausbau des U-Bahnnetzes beschleunigt, um die erwarteten Besuchermassen zu transportieren. Im Frühjahr 1972 wurde das Münchner Olympiastadion mit einem Fußball-Länderspiel eröffnet.

Der dunkle Schatten von 1936 und die Vision der „heiteren Spiele“

Zuletzt hatten 1936 Olympische Spiele in Deutschland stattgefunden ‒ in Berlin, unter den Fahnen des Nationalsozialismus. Das NS-Regime nutzte die Olympischen Spiele für seine Propaganda und zur Darstellung des eigenen Weltmachtanspruchs. Dabei gab man sich friedliebend und verschleierte den Unrechtscharakter der NS-Herrschaft. Antijüdische Aktionen sowie der Verkauf antisemitischer Hetzschriften wurden für den Zeitraum der Olympischen Spiele untersagt. Vor den Toren Berlins wurde jedoch zeitgleich mit dem sportlichen Großereignis das Konzentrationslager Sachsenhausen errichtet.

Von diesen Propaganda-Spielen der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten wollte man sich 1972 abgrenzen. Nichts sollte mehr an die Schrecken des Nationalsozialismus erinnern. Es sollten „heitere Spiele” werden, die Bundesrepublik wollte sich der Welt als offene, freundliche Demokratie präsentierten. So wurde das Design der Spiele in hellen Pastelltönen gehalten, man wählte einen Dackel als Maskottchen und verzichtete bewusst auf sichtbar bewaffnete und uniformierte Polizistinnen und Polizisten während der Spiele.

Signatur: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv/Heinrich Hoffmann

Sicherheitsmaßnahmen bei den Olympischen Spielen 1972

In Vorbereitung auf die Sommerspiele in München wurde ein Organisationskomitee (OK) gebildet, das aus Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Land und Stadt bestand und das unter anderem für die Sicherheit der Sportlerinnen und Sportler und des Besuchenden zuständig war. Ein privater Sicherheitsdienst sollte anstelle der Polizei während der Veranstaltungen vor Ort sein, um etwaige Konflikte zu klären. Erst wenn der Sicherheitsdienst seine Aufgaben nicht mehr bewältigen könne, sollte die Polizei einschreiten. Er war auch dafür zuständig, nachts im Olympischen Dorf präsent zu sein und zu verhindern, dass unbefugte Personen auf das Gelände kommen konnten. Den Mitgliedern des „Schwarzen September“ sollte dies dennoch gelingen.

Sicherheitsbedenken und der Schutz der israelischen Mannschaft

Die politische Lage in der Bundesrepublik und anderen Teilen der Welt zum Zeitpunkt der Spiele war angespannt: Im Mai hatten die Anschläge der Roten-Armee-Fraktion die Republik erschüttert, in Asien tobte der Vietnam-Krieg. Auch der bewaffnete Konflikt zwischen militanten palästinensischen Gruppen und Israel befand sich auf einem Höhepunkt.

Trotz mancher Warnungen ging im Vorfeld der Spiele kaum jemand von einer konkreten Gefährdung für die israelische Delegation aus ‒ weder auf deutscher noch auch auf israelischer Seite. Einer der wenigen, die Bedenken bezüglich der Unterbringung der israelischen Sportler äußerten, war Shmuel Lalkin, der Leiter der israelischen Delegation. Lalkin betonte das erhöhte Gefährdungsrisiko, da einige Appartements im Erdgeschoss lagen. Seine Befürchtungen wurden im zuständigen Ministerium in Jerusalem nicht geteilt. Auf das Angebot der Organisatoren, dass sich die Delegation ihre Unterkünfte selbst aussuchen könne, kamen die israelischen Verantwortlichen nicht zurück.

Samstag, 26. August 1972, 15.00 Uhr

Die Eröffnung der XX.
Olympischen Spiele in München

Am 26. August 1972 wurden die XX. Olympischen Sommerspiele feierlich eröffnet. 80.000 Zuschauerinnen und Zuschauer wohnten der Eröffnungsfeier im Münchner Olympiastadion bei. Viele weitere standen vor dem Stadion oder verfolgten die Zeremonie live im Fernsehen und über Radio. Zu feierlicher Musik zogen über 7.000 Athletinnen und Athleten aus 121 Ländern ins Stadion ein ‒ ein neuer Rekord.

Die israelische Delegation bestand aus 27 Mitgliedern und war damit die größte, die das Land bisher entsandt hatte. 15 israelische Athletinnen und Athleten sollten sich in den Disziplinen Leichtathletik, Fechten, Gewichtheben, Ringen, Schießen, Schwimmen und Segeln mit Sportlerinnen und Sportlern aus aller Welt messen.

Der Verlauf der Spiele bis zur Geiselnahme

Am Tag nach der Eröffnungsfeier begannen die ersten Wettkämpfe, die größtenteils in München ausgetragen wurden. Die Sportarten Segeln und Wasserski fanden in Kiel statt, und der Kanusport konnte am Augsburger Eiskanal bestaunt werden.

Der US-amerikanische Schwimmer Mark Spitz schrieb in München Sportgeschichte: Als er am 4. September aus dem Schwimmbecken stieg, hatte er seine siebte Goldmedaille gewonnen. Die Bundesrepublik rangierte im Medaillenspiegel von 1972 hinter der Sowjetunion, den USA und der DDR auf dem vierten Platz. Die israelischen Sportlerinnen und Sportler hatten bis zum Abend des 4. September noch keine Medaille gewinnen können.

Der Tag der Geiselnahme

In den Morgenstunden des 5. September drangen acht Mitglieder des palästinensischen Kommandos „Schwarzer September“ in die Appartements der israelischen Mannschaft ein, ermordeten dort Moshe Weinberg und Yossef Romano und nahmen neun weitere Sportler als Geiseln. Während die Geiseln um ihr Leben bangten, nahmen wenige hundert Meter entfernt die „heiteren Spiele” ihren Lauf. Bei den deutschen Boxern wurde gejubelt: Zwei Athleten hatten sich für das Halbfinale qualifiziert und damit mindestens Bronzemedaillen erreicht. Erst am Nachmittag des 5. September wurden die Sportveranstaltungen abgesagt. Zuvor hatte es spontane Demonstrationen gegen eine Weiterführung der Spiele gegeben.

Ausführlichere Informationen zur Geiselnahme finden sich unter „Geiselnahme und Polizeieinsatz“ und „Die Geiseln“.

“The games must go on”

Nach dem Scheitern des Befreiungsversuchs und dem Tod der Geiseln in Fürstenfeldbruck fand am Vormittag des 6. September anstelle der geplanten Wettkämpfe die zentrale Trauerfeier für die ermordeten israelischen Sportler im Olympiastadion statt. Der Leiter der israelischen Delegation Shmuel Lalkin sprach von einer „barbarische[n] Schändung des olympischen Geistes” durch „Terroristen“. Bundespräsident Gustav Heinemann verurteilte die Morde und machte „jene Länder, die die Terroristen nicht an ihrem Tun hindern“ verantwortlich. Die olympische Idee, eine weltweite Sportveranstaltung über alle politischen Unterschiede hinweg durchzuführen, sei jedoch durch die Geschehnisse nicht gebrochen. IOC-Präsident Avery Brundage schloss sich seinem Vorredner mit einem Satz an, der in die Geschichte eingehen sollte: „The games must go on” ‒ „Die Spiele müssen weitergehen“. Das Publikum applaudierte. Das Gerücht, dass die Wettkämpfe fortgesetzt würden, hatte sich bereits vor der Trauerfeier unter den Athletinnen und Athleten verbreitet. Die Spiele liefen weiter ‒ ohne Israel. Während die anderen Nationen mit ihren Sportlerinnen und Sportlern um Medaillen fieberten, begleiteten die Überlebenden der israelischen Delegation am 7. September die Särge ihrer ermordeten Kameraden in die Heimat.

Der Abschluss der Olympischen Spiele

Am 11. September 1972 endeten die Olympischen Sommerspiele von München. Wegen des Attentats waren die heiteren Programmpunkte der Abschlussfeier gestrichen worden. Der Stadionsprecher Joachim Fuchsberger stellte fest: „Die Spiele der XX. Olympiade haben heiter begonnen ‒ sie enden ernst.” Als die Fahnenträger ins Rund des ausverkauften Olympiastadions einzogen, fehlte eine der 121 Fahnen der Eröffnungsfeier: die israelische. Nachdem die olympische Flamme erloschen war, erhoben sich die über 60.000 Zuschauerinnen und Zuschauer, um der ermordeten Sportler zu gedenken. IOC-Präsident Avery Brundage dankte der Stadt München für die Gastfreundschaft und den Zusammenhalt in den schweren Stunden.

Die Sommerspiele von 1972 und ihre Architektur prägen die Stadt München bis heute. An die Geiselnahme und die Ermordung der israelischen Sportler hingegen wurde zunächst kaum öffentlich sichtbar erinnert.

Weitere Informationen zur Erinnerungsarbeit finden sich unter „Nachgeschichte“.

Brundage bei der Abschlussrede

Autorin und Autoren: Dominik Aufleger, Anna Greithanner, Robert Wolff

Zur Übersicht